"Was ist denn nun richtig?"
Gestern erreichte mich folgender "Hilferuf" einer Leserin, da ich denke, dass die Fragestellung für andere auch interessant sein könnte, habe ich mich entschlossen das mal öffentlich zu besprechen:
"Hi Fraukie,
weil meine Hündin sich ihre Pfote verletzt hat habe ich im Internet gesucht und Dein Blog gefunden, danke für all die ausführlichen Tips! Nun habe ich aber eine Frage:
Trixie war mit der Pfote in eine Art Gulli gerutscht und hatte sie dabei schwer verletzt, wenn auch zum Glück nicht so schlimm wie bei Deinem Hundi!
Jetzt ist wieder fast alles verheilt und ich bin etwas verunsichert:
Trixie hat immer wieder so kleine offene Stellen da zwischen den Zehen! (da mach ich mir auch voll Vorwürfe!) Mein Tierarzt sagt, dass es nun wichtig ist, dass so schnell wie möglich der Verband weg kommt und wieder Luft an die Pfote. Auch Du hast hier ja geschrieben, dass Du das bei Magni so machen möchtest, aber dann kam es zu dieser Abschürfung durch den nassen Schuh und nun weiß ich nicht was ich jetzt machen soll????? Hab Sorge, dass ich was Falsches mach.
Hast Du einen Rat?
Liebe Grüße auch von Trixie und an Magni
Jessica"
Hallo Du (und jeder der ein ähnliches Problem hat),
schön, dass mein Blog Dir helfen konnte, dafür ist es da.
Natürlich ist es unmöglich, die Verletzung Deiner Hündin zu beurteilen ohne sie gesehen zu haben, deswegen kann ich hier nur allgemeine Infos geben.
Du und Dein Tierarzt habt beide Recht und es wird nicht leicht den richtigen Zeitpunkt abzupassen, denn leider ist das wirklich etwas heikel, ich versuch mal etwas auszuholen:
Früher war es so, dass man sagte: "Wunden brauchen Luft um abzuheilen". Die Tatsache, dass man bei Tieren eigentlich stets einen Verband brauchte um Verschmutzung und mechanische Reizung der Wunde zu vermeiden und obendrein dem Patienten zu erschweren die Wunde durch Lecken oder Knabbern zu manipulieren war also ein großer Nachteil in der Wundheilung beim Tier.
Jetzt, wo sämtliche Studien zum Thema Wundheilung keinen, aber auch gar keinen Zweifel daran lassen, dass eine Wunde im geregelten, feuchten Mileu schneller und komplikationsloser abheilt als trocken an der Luft mit Schorf, ist der Umstand, dass man beim Tier die meisten Wunden verbinden muss, selbst wenn sie nicht so schlimm sind, zum Vorteil für die Wundheilung.
Verwendet man geeignete Wundauflagen profitiert die Wunde selbst also von dem Verband.
Anders liegen die Dinge bei der umliegenden Haut und gerade Pfoten sind da mitunter problematisch. Ich habe in der Praxis schon oft Fälle gesehen, in denen die negativen Auswirkungen des Verbandes auf den Rest der Pfote so fatal waren, dass sie zu Problemen führten, die weit über die Abheilung der eigentlichen Wunde hinaus einer Behandlung bedurften.
Besonders zu nennen sind hier Aufweichen oder Austrocknung der Ballen, Druck- und Scheuerstellen im gesamten Bereich des Verbandes und ganz besonders Probleme in den Zwischenzehenbereichen, die Du ja auch schilderst. Neben den häufig leider trotz Polsterung auftretenden Scheuerstellen ist ein möglicher Supergau eine Pilzinfektion zwischen den Zehen. Tritt sowas in der Zeit in der man verbinden muss auf, hat man mitunter echte Probleme.
Dass wir bei Magni nie ernste Probleme mit den Zwischenzehenbereichen hatten, hat zum Einen sicher damit zu tun, dass wir auf die Polsterung mit Ligasano weiß umgestellt haben, welches bei Tierärzten leider noch recht unbekannt ist. Andererseits waren wir in der glücklichen Lage den Verband nach jedem Nässeeintrag umgehend zu wechseln. Der Rest ist schlicht und ergreifend Glück gewesen. Wenn Du also Trixie nicht mutwillig mit einem nassen Verband hast rumlaufen lassen oder darauf verzichtet hast die Bereiche zwischen den Zehen zu polstern, dann trifft Dich an den Problemen in ihren Zwischenzehenbereichen keinerlei Schuld und entsprechend solltest Du Dir da auch keine Vorwürfe machen.
Das Magni nach all den Wochen noch eine Abschürfung durch einen feuchten Schuh davontrug lag einfach daran, dass seine Haut dort ungewöhnlich sensibel war, sowas kann man nicht absehen, da trifft auch die Tierärztin die uns zum Wechsel geraten hat keine Schuld. Und ebenso gibts eben auch Hunde, die zwischen den Zehen empfindlicher sind und Probleme davontragen obwohl man alles richtig macht.
Hellsehen ist leider nichts, das man vorraussetzen kann
Je nachdem wo Trixies Verletzung genau lokalisiert ist würde ich Dir also schon empfehlen, dass so schnell wie möglich nur noch der Wundbereich selbst abgedeckt wird und der Zehenberech frei bleibt. Eine solche lokale Wundabeckung ist an Pfoten nicht so einfach. Bei Magni können wir tatsächlich mit einer pflasterähnlichen Konstruktion arbeiten, weil die Bereiche direkt neben der Wunde noch haarlos sind.
Auf Fell kleben die erhältlichen Fixierfolien und -vliesse vermutlich nicht oder nicht gut genug. So wirst Du, wenn direkt neben der Wunde Fell ist, ähnlich wie bei Magnis "Miniverband" einige Wickeltouren einer Fixierbinde brauchen. Wenn Du diese ausreichend polsterst, ist das Risiko von Scheuerstellen geringer. Seit wir wissen, dass Magnis Haut noch übersensibel ist arbeiten wir, wenn er einen Schuh trägt auch mit solch einem gepolsterten Miniverband. Leider wird der abgedeckte, gesunde Bereich dadurch wieder größer, aber der Halt des Verbandes ist schon durch das Freilassen der Pfote herabgesetzt, läßt man nun noch das Handgelenk aus, könnte der Verband seinerseits schon zu Scheuerstellen führen. Es ist also ein Kompromiss.
Unterm Strich würde tatsächlich empfehlen, sich von Magnis Schürfwunde nicht verunsichern zu lassen:
Dass es bei Magni nach fast einem Monat noch Probleme gab ist tatsächlich ein Einzelfall, den ich so auf andere Hunde gar nicht übertragen würde.
Desweiteren ist der Umstieg von "Vollverband" auf "Restwundabdeckung und Schuh" immer ein Eiertanz und leider ist es oft so, dass man erst im Nachhinein erfährt ob eine Entscheidung richtig war.
Als kleine Entscheidungshilfe:
Ich würde es im Nachhinein tatsäch wieder ganz genauso machen. Wenn eine sichere Abdeckung der Restwunde gewährleistet ist, würde ich auf jeden Fall sobald möglich vom Vollverband auf einen Schuh wechseln obwohl ich nun weiß, dass es in Einzelfällen auch nach mehreren Wochen noch zu Scheuerstellen kommen kann.
Die Gründe sind wie folgt:
Das Risiko, DASS nach mehreren Wochen noch so flott eine Scheuerstelle entsteht ist extrem gering. Da ist die Gefahr, dass es zu deutlich massiveren Problemen im Bereich der Ballen (das war so unsere Sorgenstelle bei Magni) oder wie bei Trixie zwischen den Zehen kommt definitiv größer und die Probleme die dort entstehen können sind zudem noch deutlich gravierender als das eventuelle entstehen einer Scheuerstelle, die als oberflächliche Wunde üblicherweise problemlos abheilt.
Also, mein Rat: Vertraue Deinem Tierarzt, aber lass auch Deine eigene Einschätzung nicht ganz außen vor. Im Zweifel kann ich tatsächlich nur empfehlen die Pfote so schnell es eben möglich ist wieder der normalen Luftzirkulation auszusetzen und die Abdeckung auf die Restwunde zu begrenzen, so dies möglich ist, grade im Hinblick darauf, dass Deine Hündin zwischen den Zehen offenkundig empfindlicher ist.
Liebe Grüße
Fraukie