Ein Tag über den ich sicher erst später schreiben kann (Nachtrag vom 20.05.)
Vorwort:
Heute (20.05.) habe ich endlich meine Zuversicht vollständig zurückerworben und kann Euch die Beiträge der letzten 9 Tage fertig machen, bitte entschuldigt, dass dies so lange gedauert hat. Ich hatte nie vor Euch komplett hängen zu lassen, aber ich brauchte Zeit um mit mir selbst klar zu kommen.
Heute war ein fürchterlicher Tag. Er fing schon nicht gut an. Uli ging es deutlich schlechter, wie unten ausgeführt.
Zurück aus der Klinik war es für mich an der Zeit Uli per Sonde zu füttern und die anderen Hühner im Stall zu kontrollieren. Da Magni seit Wochen keinerlei tendenzen mehr gezeigt hat an den Verband zu gehen darf er diese 20 Minuten mit Hündin Filipendula im Garten rumnuffeln.
Als ich nach ihm schauen will steht er ohne Verband in einer Blutlache, damit beschäftigt die blutende Pfote abzulecken. Geschockt nehme ich ihn sogut ich es kann auf den Arm und trage ihn ins Schlafzimmer, wo Denni direkt aufspringt und eine Waschschüssel holt. Alles andere liegt eh bereit, weil wir nachdem ich die anderen Tiere versorgt habe ohnehin den Verband wechseln wollten.
Denni muss mich mehrere Male ermahnen für einen Moment über Tränen, Geheul und kaum in Worte zu fassender Wut auf mich selbst ordentlich zu arbeiten, "Hussa, weil muss ja!" schnauzt er mich an, wissend, das wir doch eh erstmal nichts anderes machen können und dürfen als den Fuß zu reinigen, zu desinfizieren und eine Vorstellung vom Schadensausmaß zu bekommen. Magni hingegen scheint die ganze Aufregung so gar nicht zu verstehen, liegt in Dennis Arm wie immer und läßt mich die blutende Pfote waschen.
Bei der Begutachtung ist klar: der komplette Mittelteil, die "Fleischinsel" ist weggerissen, so tief, dass wieder ein Stück Knochen offen liegt. Zum Gelenk hin, auf der laterealen Seite und palmar hat sich nichts verändert, die frische Haut auf den Zehen wirkt aufgeschürft.
Ich komme bei der Beurteilung ziemlich ins Grübeln. Mache ich mir doch Vorwürfe, weil alles den Anschein hatte, dass Magni die fehlende Aufsicht genutzt, den Verband ab und die Pfote aufgebissen hat. Nur sieht die Pfote nirgendwo aufgebissen aus, ich finde keine Zahnspuren auch der Bereich an dem die Fleischinsel fehlt sieht gerissen und keineswegs wie ein Biss aus.
Dennoch bzw auch weil Magni definitiv mit der Zunge dran war entscheide ich mich nach gründlicher Wäsche im Seifenbad für eine Desininfektion mit Lotagen, das einfach sehr umfassend Keime abtötet, wohlwissend, dass ich den Preis, in Form von Verätzungen an dem frischen Gewebe zahlen muss. Magni bleibt auch hierbei ruhig und fängt erst an zu zappeln als ich mit einem feuchtem Lappen Blut von der gesunden Pfote wische (er kann nasse Pfoten nicht leiden).
Nachdem ich die Pfote gewaschen, desinfiziert und neu verbunden habe lasse ich Magni mit Dennis im Schlafzimmer zurück um nachzusehen, wie groß der Nebenschauplatz ist. Magni ist ein ganz großer Fremdkörperfresser und hat beim Verbandswechsel häufig versucht die mit Wundsekret vollgesogenen Saugkompressen zu fressen. Das er wenn er den Verband schon wegbeißt darauf verzichtet ist viel zu unwahrscheinlich um nicht genau zu schauen was wir außer einer möglicherweise infizierten Pfote noch bedenken müssen.
Bei der "Spurensuche" werden mir dann zwei Dinge klar:
- Mein Vertrauen in Magni war nicht unbegründet
- ich habe so richtig, unverzeihlich Mist gebaut
An der Tür die zum Garten führt finde ich den Sportverband, den ich Magni statt einer Tüte umgewickelt hatte, verklemmt hinter einem Brett, das ich vor 4 Jahren vor die marode Tür geschraubt habe. Sein Verband liegt wie ein ausgezogener Stiefel völlig intakt daneben. Ohne auch nur eine Zahnspur.
Jetzt ist es gewiss: Nicht Magni war an dem Verband, sondern ich habe vollumfänglich versagt (mal wieder).
Wie auf dem Foto vom 8.Mai zu sehen hatte ich mir eigentlich angewöhnt über die Sportbinde noch eine zweite Haftbinde zur Fixation zu wickeln, weil sich die Sportbinde bei Magnis gehopse einmal gelöst hatte und abgefallen war. Darauf habe ich heute verzichtet, weil es sehr warm war und ich fürchtete, dass ein weiterer "Luftabschluss" der Wunde schaden könnte. Ich unterlag der irrigen Annahme, dass die Sportbinde im schlimmsten Fall eben abfallen würde, das wäre nicht schlimm, da es draußen trocken war und wir den Verband ohnehin kurz darauf wechseln wollten. Leider hatte ich den Sportverband mit sehr haltbarem Sporttape umwickelt, er konnte nicht abfallen...
Der eigentliche Abriss muss sehr schnell und ruckartig geschehen sein, demm im Verband selbst findet sich kein Blut oder abgerissenes Gewebe und das erklärt auch warum Magni weder geschrien noch sonst irgendwelchen Lärm gemacht hat, das muss extrem schnell gegangen sein.
Von den Selbstzweifeln und Vorwürfen überannt, will ich nichtmal mehr selbst beurteilen ob Magni nun wieder unter Antibiose zu setzen ist oder nicht und so fahren wir zum zweiten Mal an diesem Tag in die Klinik. Hier wird zunächst mein Eindruck bestätigt, auch für die Mitarbeiterin die uns betreut sieht die Verletzung nicht aus als habe Magni sie mit den Zähnen verursacht. Die vorliegende Verletzung wird auch hier eher als Abriss bzw Abrieb identifiziert.
Das diese Verletzung "nicht so schlimm" ist will ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht hören, kann das noch nicht erfassen, mir diesen Fehler nicht verzeihen. Ich rede mir ein, dass die Klinikmitarbeiterin die Sache runterspielt, weil sie mir kaum in mein völlig verheultes Gesicht sagen wird "Au, DAS sieht ja sch... aus."
Erst später wird mir klar, dass sie beim Anblick der frischen Halskragenverletzung aber genau das getan hat und sie auch viel zu professionell ist um eine Verletzung aus Rücksicht irgendwem gegenüber runterzuspielen.
Ich kann aber nur an die Bilder von gestern denken. an den völlig verheilten Mittelteil, der jetzt in blutigen Fetzen vor uns liegt und unter dem sich sogar eine kleine Wundhöhle befindet.
Ich kann nur daran denken, dass all diese Fetzen jetzt erst wieder absterben müssen, ehe eine Heilung möglich ist und daran welch erhebliches Risiko diese Wundhöhle darstellt.
Mir stellt sich die Frage wie ich all den Menschen, die wirklich geglaubt haben ich sei dieser Aufgabe gewachsen noch in die Augen sehen soll, geschweige denn mir selbst.
Denni, der meine Verzweiflung nicht versteht, muss ich auch noch erklären, dass wir beim ersten Mal großes Glück hatten und es keine Garantie gibt, dass auch diese Verletzung so komplikationslos verheilt.
Aufgrund der fehlenden Bißspuren und der umgehend erfolgten Desinfektion mit Lotagen entscheiden wir mit der Klinikmitarbeiterin gemeinsam ihn erstmal nicht schon wieder mit einem Antibiotikum zu belasten.
Dann fahren wir heim. Denni macht mir keinen einzigen Vorwurf, versucht mich zu trösten, ohne Erfolg, ich kann und will mir nicht verzeihen. Mehr noch, die Aussage "Das konntest Du nich vorhersehen." Kann ich nicht mehr hören. Magni flog MEINETWEGEN die Treppe herunter und konnte sich mit dem Halskragen so schwer verletzten, weil ICH ihn aus den Augen ließ um zu schlafen. Und auch DIESE Verletzung wäre nie passiert, wenn ich beim verbinden nicht geschlampt hätte. Es wäre so unendlich leichter, wenn jemand mal sagen würde "Ja! Du HAST es verbockt! und JETZT machst Du es wieder gut."
Beim abendlichen Verbandswechsel sieht die Pfote natürlich deutlich schlimmer aus als direkt nach der frischen Verletzung, einfach weil vom Lotagen verätztes Granulationsgewebe ein üblerer Anblick ist als frisches Blut. Ich überlege eifrig wie ich das wieder gut machen kann und wieder ist Nadines Päckchen, ein Teil der Lösung. In ihm liegen nämlich Calcium-Alginat-Silber Auflagen, die wir bisher kleingeschnitten verwendet haben um den Bereich um die Wolfskralle trockener zu kriegen. Jetzt fällt mir ein, dass Ca-Alginat fähig ist Gewebetrümmer aufzunehmen, in einem Gel zu binden und dafür zu Sorgen, dass sie leichter von der Wunde entfernt werden können. Das Silber ist außerdem wunddesinfizierend.
Kurzentschlossen schneide ich die erste der beiden verbliebenen Wundauflage in Streifen und stopfe den ersten Streifen als Tamponade in die Wundhöhle, die ist nicht tief und so lappt der Streifen noch über die Abrissstelle hinüber.
Pfote von oben direkt nach dem Abwaschen des Blutes:
Pfote beim abendlichen Verbandswechsel:
Verband wie er vor der Tür lag, der Blutfleck ist von außen:
Uli:
Uli stand heut morgen wie ein Wackeldackel in ihrer Box, dieses oder ähnliches Verhalten zeigen viele Fluchttiere, wenn sie zu schwach sind um zu stehen, sich aber aufgrund dieser Schwäche nicht hinlegen mögen, aus Angst bei Gefahr nicht aufstehen und flüchten zu können. So packten wir Uli ein und fuhren in die Tierklinik.
In der Tierklinik wurde sie geröntgt. Bis auf die verdickte Kropfwand, was auf die bereits vermutete und behandelte Kropfentzündung hinweist, war auf dem Röntgenbild nichts außergewöhnliches zu sehen, sodass wir annehmen, dass ihr Zustand eine Kombination aus dem langen Winter, der anstehenden Mauser, dem leichten Wurmbefall und der Kropfentzündung ist. Natürluch ist auch Organversagen möglich, bei einem Huhn aber schwer zu diagnostizieren, da Blutentnahmen schon bei Tieren die nicht so extrem geschwächt sind sehr riskant ist.
Sorgen machte mir allerdings ihr Gewicht. Sie wiegt 50g weniger als beim letzten Besuch. Das muss nicht bedeuten, dass sie auch abgenommen hat, denn beim letzten Besuch war ihr Kropf ja sehr stark mit eingeweichtem Körnerfutter gefüllt, der ist jetzt leer, da ich sie mit Weichfutter ernähre, das nicht im Kropf zwischengespeichert wird. Bei der Fütterung die ich ihr zuteil werden lasse, hätte sie aber in der vergangenen Zeit eigentlich zunehmen MÜSSEN. Das könnte darauf hinweisen, dass mehr nicht in Ordnung ist. Trotzdem bleibt die Hoffnung. Sie ist immer noch aufmerksam. Soll nun weitere Medikamente gegen die Kropfentzündung bekommen (zusätzlich zum Antibiotikum). Auf meinen Wunsch hin wird noch ein Kropfabstrich gemacht der prüfen soll ob das normalerweise wirksame Antibtiotikum in diesem Fall vielleicht nicht ausreicht.
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