Antwort auf Kommentar: Wie gefährlich Tips aus dem Internet sein können
Hier möchte ich ausführlich auf den Kommentar von Sarah auf meinen letzten Eintrag eingehen.
Ich mache das hier, weil es so übersichtlicher ist, denn ich kann Sarahs Text in blauer Kursivschrift einfügen und meine Antworten dazu in normaler Schrift einbringen.
Hallo! Wollte ihnen eine Email schicken aber weis nicht wie man hier eine Adresse findet. Hoffe sie lesen das hier.
Meine Emailadresse ist übrigens in der FAQ zu finden. Dort habe ich auch nochmal den Prozess und die Verbandsmaterialien beschrieben und erklärt warum die Pfote wie beschrieben gepflegt und verbunden wird.
Also erst mal tut es mir sehr leid was passiert ist und finde super was sie alles für ihren Hund machen. Die Pfote meiner Hündin sah genau so aus aber aus einem anderen Grund, es hatte sich nach einem gebrochenen Bein eine sehr schlimme Druckstelle (Dekubitus) unter dem Hartschalen-Verband gebildet.
Das tut mir sehr leid für Sie und Ihren Hund. Ich weiß wie übel solch ein Dekubitus sein kann und bin sehr froh, dass Magnis Verletzung mit solch einem schlimmen Zustand gar nicht vergleichbar ist.
Wollte ihnen mitteilen, dass ich das Verbandsmaterial das bei ihrem Hund verwendet wurde sehr veraltet finde.
Da brauchen Sie sich keine Sorgen machen. Bei einem Dekubitus würde man vermutlich wirklich anders vorgehen. Für Magnis Verletzung ist das verwendete Verbandsmaterial und der Ablauf genau das Richtige. In der FAQ ganz runter scrollen.
Da erkläre ich das ausführlich und im Verlauf dieses Blogs ist an den Fotos ja auch deutlich zu sehen, dass die Heilung sich schneller und komplikationsloser vollzieht als wir zu träumen gewagt hätten.
Deshalb würde ich die Geschichte hier nicht so dolle verbreiten. Die wissen bestimmt dass sie in Facebook und vielen Hundeforen verbreitet wird
Ja, das weiß ich, ich habe explizit darum gebeten unsere Geschichte weiter zu erzählen und bin froh, dass sie sich weiter verbreitet. Das finde ich aus 3 Gründen sehr wichtig:
- Ist es wichtig, dass sich rumspricht, dass solche Verletzungen durch Halskrägen möglich sind und ich mich über jedes Tier freue dessen Halter den Tip mit dem Bekleben des Halskragenrandes mit Rohrisolation rechtzeitig bekommt
- habe ich die Hoffnung, dass Magnis Geschichte vielleicht mal ein Leben retten kann, wenn ein Tierhalter mal vor einem vergleichbaren Problem steht, also einer stark verletzte Gliedmaße an einem Tier bei dem eine Amputation nicht in Frage kommt. Magnis Geschichte zeigt durch unsere Dokumentation sehr anschaulich, dass auch bei solchen Verletzungen eine Chance auf Heilung besteht und grad weil Magnis Ausgangslage alles andere als günstig war zeigt seine Geschichte, dass die Chance auf die Abheilung solcher Verletzungen sehr viel größer ist als man oft annehmen würde.
- Durch die genaue Beschreibung der Behandlung möchte ich anderen Tierhaltern Mut machen. Zwar bin ich selbst "vom Fach", aber ich möchte zeigen, dass die Pflege solch einer Pfote weit weniger kompliziert ist als viele sich das vorstellen und eigentlich jeder, der durch einen Tierarzt eingewiesen wurde, soetwas bewergstelligen kann.
Heute zu Tage benutzt man für solche Wunden moderne Hydrocoloid Auflagen oder eine Art Schaumstoffauflagen ...
In der Humanmedizin und für einige spezielle Fälle in der Tiermedizin mag das stimmen, aber so pauschal ist das einfach nicht richtig. Wie Sie als Krankenschwester sicher wissen sind solch schwere Verletzungen immer Einzelfälle und was für die eine Wunde genau richtig ist kann für eine Andere fatal sein. Auch sollte Ihnen bewußt sein, dass man Wunden wie diese keineswegs per Ferndiagnose so umfangreich beurteilen kann, dass es sinnvoll ist die von großartigen Tierärzten abgesegnete und fraglos sehr erfolgreiche Behandlung derart abzuurteilen.
Dazu ist die (nur vor Ort mögliche) Beurteilung von Textur, Geruch und der Reaktion des Patienten auf Manipulation doch viel zu bedeutsam.
Während die Behandlung der Pfote wie wir sie in Absprache mit Magnis Tierärzten nun seit über einem Monat durchführen sehr erfolgreich ist; Bilder sagen da mehr als Worte:
ist der von Ihnen "vorgeschlagene" Hydrokolloid-Verband in Magnis Fall sogar aus mehreren Gründen kontraindiziert unter Anderem aus einem Grund, der Ihnen als Krankenschwester eigentlich bewußt sein sollte, nämlich dem, dass man sie nie auf freiliegenden Knochen anwenden darf.
Hier der Auszug aus meiner FAQ, der erklärt, warum wir uns gegen Hydrokolloid-Verbände entschieden haben, obwohl uns die Verwendung viel Zeit und Kosten sparen würde:
"Hydrokolloid-Verbände sind eine moderne, hervoragende Möglichkeit in der Humanmedizin. In der Tiermedizin ist ihr Einsatz schwieriger und in Magnis Fall kommen diese Verbände nicht in Frage.
Hydrokolloid-Verbände sind darauf ausgelegt, das Mileu um die Wunde
zu stabilisieren und der Wunde für mehrere Tage Ruhe zu geben. Außerdem müssen sie sehr korrekt angelegt und sorgfältig fixiert werden, damit sie nicht
verrutschen oder sich einrollen. Ein täglicher oder gar zweimal
täglicher Verbandswechsel ist bei diesen Verbänden unmöglich, darauf sind sie einfach nicht ausgelegt und der Nutzen wäre gleich Null. Mehr noch, wechselt man einen
Hydrokolloid-Verband zu oft(also öfter als alle 3 Tage), dann wirkt sich das durch die Zerstörung der frischen Haut sogar nachteilig auf die Heilung aus.
Das wichtigste, es tötet Keime also passend da die Wunde teilweise belegt ist.
Das ist, entschuldigen Sie die Wortwahl, gleich aus zwei Gründen ganz fataler Blödsinn:
1. handelt es sich bei Hydrokolloiden um sogenannte okklusive Verbände. Diese dürfen nie, nie, nie auf infizierten oder infektionsgefährdeten (z.B. kritisch belegte) Wunden angewendet werden! Durch den Luftabschluss würde man ausgerechnet den Erregern das Wachstum ermöglichen, die man am allerwenigsten auf der Wunde haben möchte.
2. "Passend" wäre ein Keimtötender Verband, würde es sich bei den auf den Fotos als Belag erkennbaren Details um Anzeichen einer Keimbesiedlung handeln. Dem ist aber nicht so:
Das was auf den Fotos/ in der Ferndiagnose nur als "Belag" erkennbar ist stellt sich bei realer in Augenscheinnahme der Wunde je nach Heilungsphase entweder als Reste von abgestorbenem Gewebe (die mitlerweile alle entfernt sind) bzw als Fibrin dar. Bei der Beurteilung der Farbe dieser Beläge muss eben auch berücksichtigt werden, dass die Pfote 2x am Tag mit Rivanol (gelbem Farbstoff) desinfiziert wird, was farblich natürlich seine Spuren hinterläßt. Infiziert war die Pfote zu keinem Zeitpunkt, sonst hätten seine Tierärzte nicht bereits am 05.04. zum Absetzen des Antibiotikums geraten und die Leukozytenwerte währen nicht stetig gesunken.
Außerdem liegen in Magnis Fall gleich drei, auch von Herstellern verbreitete und in der Krankenpflege eigentlich bekannte Kontraindikationen vor, aufgrund derer Hydrokolloid-Auflagen keineswegs "passend" für Magni sind:
- Hydrokolloide eignen sich für schwach bis mäßig sezernierende Wunden, also sind sie für stark sezernierende Wunden ungeeignet (man müßte zu oft wechseln und der Verband könnte seine Arbeit nicht machen. Magnis Pfote suppt aber derart heftig, dass die Verbände vor allem in der Anfangsphase trotz Saugkompresse nach wenigen Stunden vollständig durchtränkt waren und es nun nach spätestens 12 Stunden immer noch sind, zwischenzeitlich war das so heftig, dass wir uns sogar Sorgen um seinen Flüssigkeitshaushalt machen mußten
- ebenfalls kontraindiziert sind Hydrokolloide, wenn Knochen und//oder Sehnen freiliegen und das dies bei Magnis Pfote der Fall ist sieht auch jemand ohne Fachkenntnisse und ein Blinder könnte es ertasten.
- Hydrokolloide sind für oberflächliche Wunden geeignet, bei denen diese Auflage einen durchgehenden Kontakt zum Wundgrund herstellen kann. Sie ersetzt dann praktisch den Wundschorf und löst sich durch Sättigung der Hydrokolloide mit Wundsekret und Einschieben der frischen Haut seitens der Wundränder von der Wunde wieder ab. Für zerklüftete Wunden wie Magnis Pfote zum Zeitpunkt ihres Schreibens noch zu beizeichnen war, sind diese Auflagen völlig ungeeignet
Mein Tierarzt sagte das benutzen viele Tierärzte aus Kostengründen nicht.
Da haben Sie entweder etwas falsch verstanden oder Ihr Tierarzt hat sich damit nicht eingehend beschäftigt, denn die Verwendung von Hydrokolloid-Verbänden würde bei der Behandlung derartiger Wunden keine Verteuerung sondern ganz im Gegenteil eine Kostenersparnis bedeuten:
Oberflächlich gesehen sind diese Auflagen natürlich sehr kostspielig. Rechnerisch ist das aber nicht mehr der Fall:
Ein Verband, so wie wir ihn momentan zusammensetzen kostet uns etwa 3,60€, durch das zweimal tägliche Verbinden entstehen also Kosten von etwa 7,20€ pro Tag.
Hydrokolloidverbände sind aber darauf ausgelegt mehrere Tage auf der Wunde zu bleiben. Die Verweildauer veträgt im Schnitt 4-7 Tage, mindestens aber 3.
Eine 5er Packung 20x20cm großer Hydrocolloid-Verband-Auflagen kostet bei Apolux 81,90€, also 16,38€/ Stück. Davon würden wir eine Auflage pro Verband benötigen. Selbst wenn wir davon ausgingen, dass der Verband alle 3 Tage zu wechseln wäre entstünden durch den Hydrokolloidverband geringere Kosten als das beim jetzigen Management der Fall ist:
Im Moment verbrauchen wir in 3 Tagen Verbandsmaterial im Wert von 21,60€. Ein Hydrokolloid-Verband würde uns in 3 Tagen weniger als 20 Euro kosten, selbst wenn wir zusätzlich zur Hydro-Auflage Watte- und Haftbinden verwenden würden. Bliebe der Verband 4 - 7 Tage auf der Pfote käme das Ganze deutlich billiger als die jetzige Versorgung.
Davon, dass wir mit den 2 Stunden, die wir täglich für den Verbandswechsel und die Pflege der Pfote benötigen auch Anderes anzufangen wüßten, einmal abgesehen.
Ganz abgesehen davon, dass Hydrokolloid-Verbände nicht teurer sind als die aktuelle Versorgung kann ich sämtliche Vermutungen, hier würde am falschen Ende gespart in jeder Hinsicht negieren:
Magni wird von großartigen, sehr erfahrenen Tierärzten betreut,
die wir schon lange kennen und die niemals aus Gründen der
Kosten- oder Aufwandsersparnis etwas raten würden, das von dem Optimum abweicht. Schon gar nicht, wenn soviel auf dem Spiel steht, in diesem Fall ist der "Einsatz" ja nichts Geringeres als Magnis Leben.
Der Grund warum wir mit seinen Tierärzten diesen Ablauf und diese Verbandsstoffe für seine Versorgung ausgewählt haben ist also nur der Eine, nämlich der, dass es sich um die für Magni optimale Behandlung handelt.
Aber es wird wohl trotz dem die Zukunft sein.
So ferne "Zukunftsmusik" ist das gar nicht. Auch in der Tiermedizin werden Hydrokolloid-Verbände bereits erfolgreich eingesetzt. Aber (wie in der Humanmedizin auch) eben nur, wenn die Indikation dem entspricht was diese Verbände leisten können. In der Tiermedizin kann man diese Verbände eben nur dann einsetzen, wenn die Wundfläche ausreichend groß, eben und bewegungsarm ist um einen sicheren Sitz zu gewährleisten. Außerdem müssen Patient und Wunde in einem Zustand sein, indem man die Verletzung guten Gewissens einige Tage "aus den Augen" lassen kann, weil sich wie bereits erklärt der Hydrokolloid-Verband nicht eignet, wenn eine tägliche oder gar mehrmals tägliche Wundkontrolle notwendig ist. Daher ist das Einsatzgebiet solcher Verbände in der Tiermedizin sehr eingeschränkt. Am ehesten macht die Anwendung daher noch in der Pferdemedizin Sinn, wenn man z.B, eine Verletzung am Hals oder Rücken hat.
Habe durch meinen Tierarzt und die Wundversorgung meiner Hündin mitbekommen, dass die Wundversorgung bei Mensch und Tier dem gleichen Prinzip entspricht.
Das ist nur sehr eingeschränkt richtig. In der Wundversorgung bestehen zwischen menschlichen und tierischen Patienten vorallem 3 ganz gravierende Unterschiede, zwei davon sind recht offensichtlich:
- kann man einen Menschen ganz anders stillhalten als das mit einem Hund und insbesondere mit einer Hundepfote möglich ist
- kann ein Mensch (zumindest ein ansprechbarer Patient) Bescheid sagen, wenn sich da etwas "komisch" anfühlt. Ein Tier neigt eher dazu eine Verletzung immer komisch zu finden
Der 3. Unterschied ist nicht so offensichtlich und als "Humankrankenschwester" auch nicht so selbstverständlich:
3. Tiere haben eine ganz andere Hautbeschaffenheit als Menschen.
Das kann man sich gut veranschaulichen, wenn man eine Hautfalte eines Hundes nach oben zieht. Anders als beim Menschen ist die Haut eines Tieres nicht durch Bindegewebe relativ fest mit dem Untergrund verbunden. Schon das erschwer eine Ruhighaltung extrem und dieser Umstand ist auch nicht ganz unschuldig daran, warum sich die teuren Haftbinden in der Tiermedizin längst durchgesetzt haben, während bei Menschen immernoch häufig mit einfachen, elastischen Mullbinden gearbeitet wird.
Ich schreibe ihnen das weil ich finde das die Wundversorgung hier nicht so verbreitet werden sollte, da veraltet.
Ich hoffe, es ist mir mit diesem Beitrag gelungen, Sie (und andere interessierte Leser) darüber aufzuklären, dass ihre auf Ferndiagnose und Spekulation beruhende Annahme, die Versorgung von Magnis Wunde sei undangemessen und "veraltet" falsch ist.
Behandlung und Verbandsstoffe sind dem vorliegenden Fall exakt angepaßt ist, wie das bei einer guten Wundversorgung auch immer der Fall sein sollte.
Da ist nicht nur ein pauschaler Rückschluss von Menschen auf Tiere und von Dekubitus auf akute Verletzung fehl am Platz; selbst bei einer identischen Verletzung bei einem anderen Hund müssen Tierbesitzer und behandelnde Tierärzte mit offenen Augen entscheiden welche Form der Behandlung und Wahl der Verbandsstoffe angezeigt ist.
Hoffe ihrem Hund geht es jetzt wieder gut!
Wir haben noch einen weiten Weg vor uns, aber wie auch in der Bilanz zusammenfassend geschildert ist schreitet die Heilung so schnell und komplikationslos vorran, dass dies selbst für einen sonst gesunden Hund großartig wäre. Für einen Hund, der nebenbei noch sein Blutbild normalisieren und den Verlust von fast 50% seiner Körpermasse rückgängig machen muss, kann man fast von einem Wunder sprechen, das ohen Frage völlig unmöglich wäre, wenn Behandlungsablauf und Wahl der Verbandsmittel nicht ganz exakt dem entsprechen würde, was diese Verletzung benötigt.
In einem Forum indem Sie ihren "unqualifizierten Senf" (es tut mir leid aber nur so kann man es nennen) zu Magnis Verletzung und Behandlung geben bevor Sie mich hier angeschrieben haben behaupten Sie nicht nur Krankenschwester der Fachrichtung Wundmanagement zu sein, sondern auch, dass sie über die Versorgung von Wunden entscheiden dürfen ohne das ein Arzt ihre Entscheidung überprüft.
Mit dieser Behauptung versuchen Sie ihre Aussagen zu verrifizieren und ich kann für ihre Patienten nur hoffen, dass das so nicht stimmt und die Ärzte in dem Krankenhaus doch einschreiten, wenn sie im Begriff sind eine tiefe, zerklüftete Wunde mit freiliegenden Sehnen und Knochen, die sie obendrein für infektionsgefährdet halten, mit ner Hydrokolloidplatte abzudecken.
Ich hoffe, dieser Beitrag ermuntert meine Leser zu folgender Schlussfolgerung:
Wenn Euer Tier medizinische Hilfe braucht, sucht einen Tierarzt Eures Vertrauens auf, macht Euch kritisch selbst schlau, aber hört NICHT ohne Rücksprache mit einer Fachkraft Eures Vertrauens auf irgendwelche Tips aus dem Internet auch dann nicht, wenn sie von selbsternannten Experten kommen!
Wäre ich nicht selbst fachkundig gewesen und hätte ohne Rückversicherung auf diesen "Tip" gehört, weil die Schreiberin behauptet sie sei Krankenschwester, Fachkraft für Wundversorgung und das gesamte Wundmangement eines Krankenhauses läge in ihren Händen, dann hätte dieser Tip Magni ziemlich sicher die Pfote gekostet!