Da ich immer wieder gefragt werde, wie wir das eigentlich durchhalten, möchte ich in diesem Beitrag mal eine Zwischenbilanz bringen, möchte erzählen, was die letzten 3 Wochen mit uns gemacht haben. und den nächsten Beitrag dann all denen widmen, die uns nicht allein lassen.
Die Frage, "Wie hälst Du das durch?" möchte ich in gewohnt humoristischen Manier mit einem Liedchen beantworten.
Hierbei handelt es sich um einen Songausschnitt aus einem Computerspiel, dass Denni und ich neulich gespielt haben.
Besonderse Aufmerksamkeit lege man auf die Textzeilen:
"denn ein echter Hero,
kommt erst dann akkurat in Fahrt,
wenn ein Armageddon naht!
Schon allein wegen weil muss ja und so...
Hussa, weil muss ja und so!"
Das spiegelt meinen "Nu erst Recht-" und "hab ich ne Wahl?-" Geist ganz gut wieder.
Über die Jahre haben Denni und ich sehr viel Vertrauen darein gewonnen, dass unsere Tiere und sehr genau sagen wann sie leben wollen und wann es kein Spaß mehr ist zu leben.
Und solange sie leben wollen, kämpfen wir an ihrer Seite.
Wenn ich Magni mit seinem verbundenen Fuß durch den Garten tapst als sei nichts, sagen vorbeikommende Passanten mit denen ich ins Gespräch komme: "Na, das scheint ja nicht so schlimm zu sein und wird bald wieder." Ich nicke dann eifrig. Manchmal denke ich "Wenn Du wüßtest was unter dem Verband ist.", manchmal vergesse ich wenn ich ihn so laufen sehe selbst wie ernst die Lage eigentlich ist. Das schaut mit dem Verband so harmlos aus.
Immer wenn ich Zweifel habe (und Denni da ist um Magni zu beaufsichtigen), dann gehe ich in meinen Hühnerstall, setze mich mit etwas Toast hin und füttere meine Federkatzen.
Ziemlich direkt nachdem ich den Stall betreten habe sitzt Henne Zombie auf meinem Schoss und schon scheint wieder alles möglich.
Als ich Zombie am 24.07.2012 bei meinem Kontrollgang im Stall meiner brütenden Henne das erste mal sah, da hob ich sie nur auf um sie zu entsorgen.
Die Idee, dass dieses eiskalte, schlaffe, leblose Ding mit der fast Kopfgroßen Wunde am Köpfchen tatsächlich noch leben könnte... nein, darauf kam ich gar nicht, selbst wenn man nicht von Hoffnung sondern wirklich nur von der Idee sprechen würde wäre dieser Gedanke völlig absurd gewesen, da waren ja sogar schon Fliegeneier drauf. Aber als ich es aufhob machte dieses kalte Ding kaum hörbar "Piiiiiiiiiiiiiiiiiep!"
Als ich ins Haus raste, den Heizlüfter anmachte und tröpfchenweise Infusionslösung mit einer Insulinkanüle unter die Haut des Dingelchens stach kam ich mir allein für den Versuch irgendwie blöd vor. Als Kreislauf und Blutung der Kopfwunde gleichzeitig in Gang kamen und ich die Blutung stillte WUSSTE ich, dass an meiner Hand viel zu viel Blut klebte, als das ein frisch geschlüpftes Zwerghuhnküken das überleben könnte. Ich wußte das, mein Mann wußte das... Zombie aber hat das nicht gewußt.
Als sie später als Flauscheball piepsend über mein Bett stiefelte war klar: sie wünscht zu leben.
Die Attacke der Henne hätte das kaum, dass sie geschlüpft war fast vereitelt. Es wurde schwerer, als am nächsten Tag die ganze Körperseits anschwoll und Flügelchen und Bein nur dahingen. Es wurde wieder etwas leichter, als die Schwellung zurückging und alles, außer dem Beinchen gut funktionierte und es wurde fast unmöglich als sie wuchs, das Bein aber nicht richtig mit und als sie mit 4 Wochen praktisch gar nicht mehr laufen konnte, weil das Beinchen gedreht war und im 90°Winkel abstand. Es schien verloren, als uns jeder aufgesuchte Tierarzt sagte "Klar kann man sowas theoretisch operieren, aber ob es in Deutschland nen Kollegen gibt der das kann und macht weiß ich nicht. Und es schien aussichtslos, als uns auf der Suche nach solch einem Tierarzt die Zeit weglief.
Aber es wurde auch ebenso plötzlich wieder machbar, dann was sind schon 320km einfache Fahrt, wenn er da sitzt, der Tierarzt, der sagt "ich muss sie sehen, aber meist ist sowas möglich."
Es schien nicht nur so, sondern war ihre einzige Chance, als wir sie zur OP brachten und es war ein kleines Wunder, als sie nach der Op anfing schon mit dem Nagel im gesägten und gedrehten Bein zu laufen.
Ich hatte Glückstränen in den Augen, als ich ihr wenige Wochen später einen Abschiedskuss gab, weil es ihr gut genug ging und Zeit für sie war aus dem Haus in den Stall zu ziehen.
Pleite aber glücklich kam es mir so unwirklich vor zu sehen, wie sie zum Huhn wurde, anfing zu scharren, im Staub zu baden, mit Dhary über die Schlafstangen zu rennen.
Wenn ich heute seh, wie sie einfach nur Huhn ist oder sich sonnenbadend räkelt, dann weiß ich, was ein Wunder ist und weiß: Es ist möglich!
Wunder haben deswegen den schlechten Ruf nicht vorzukommen, weil viel zu viele Leute dasitzen und warten, dass sie einfach so passieren.
Aber so läuft der Hase nicht. Wunder muss man sich erarbeiten, dann kommen sie einem entgegen.
Wer Zombies ganze Geschichte lesen möchte, der klickt nun hier.
Anschließend weiß ich wieder, dass Magnis Pfote gesund werden wird. Er wird das durchstehen, wir werden das durchstehen und die Pfote wird heilen, der Grund dafür ist simpel:
"Hussa - weil muss ja!"
Zeitlich ist Magnis Verletzung eine Katastrophe, das ist gar nicht schönzureden. Dabei geht es weniger darum, dass wir morgens und abends
je 60-90 Minuten für den Verbandswechsel benötigen und auch nicht um die Kontrollbesuche in der 50km entfernten Klinik,
welche bisher 2x/Woche notwendig waren und nun noch einmal/Woche
stattfinden wird. Sondern darum, dass Magni die Pfote so wenig wie möglich belasten darf und im Moment 24/7 beaufsichtigt werden muss zumindest bis ich eine Lösung für das Halskragenproblem gefunden habe. Ich krieg also im Haus und auf dem Hof wenig geschafft. Das mir "Zeit für mich" fehlt ist ziemlich egal. Denn er ist ja mein Babybär und ich kann auch am Computer arbeiten, flechten oder Fotos bearbeiten statt irgendwo rumzugraben oder zu buddeln Schade find ich nur, dass mir die Zeit für einige meiner anderen Tiere fehlt/die Zeit knapp ist. Die sehen mich meist nur zum Versorgen.
Den Katzen ist der gegenwärte Zustand offensichtlich mehr als Recht. Ich bin fast den ganzen Tag verfügbar und auf meinem Schoss kann man rumliegen. Die Pferde beschäftigen sich selbst, dazu hat man ja nen Offenstall auch wenn sie sich über meine Besuche zum Versorgen sichtlich freuen und zumindest mein "Großer" sich augenscheinlich ein bischen langweilt.
Die anderen beiden Hunde verbringen die meiste Zeit des Tages im Garten oder dösen bei uns im Schlafzimmer.
Auch wenn meine Hühner und Enten sicher gut ohne mich klarkommen fehlt es mir sehr jeden Tag ein Stündchen auf zwei bei ihnen im Stall zu sitzen und sie zu beobachten und zu knuddeln. Auch ist das einfach mal sehr wichtig, weil es gewährleistet, das ich frühzeitig merk, wenn es jemandem nicht gut geht.
Am Wochenende verschafft mit Denni immer mal eine Stunde Hühnerzeit indem er auf Magni aufpaßt. Unter der Woche kommt er leider erst heim wenn meine Vögelchen schon schlafen, außerdem ist es auch sein gutes Recht dann Ruhe haben zu wollen und nicht noch Babysitter zu sein. Wichtig ist, dass keines meiner Tiere unter dieser Zeitknappheit leiden muss aber selbst wenn man Berücksichtigt, dass es anders schöner wäre leidet hier zum Glück niemand.
Nervlich ist die Belastung geringer als angenommen. Magni ist bewundernswert geduldig mit uns. Eine Stunde vor jedem Verbandswechsel erhält Magni von mir einen Minidonut mit Tramal und Novalgin. Zum Verbandswechsel breiten wir eine Decke im Bett aus und legen Handtücher drüber. Dann legen wir ihn auf die Seite, Denni legt sich hinter ihn und hält ihn fest (die meiste Zeit knuddeln die beiden eher) während ich den Verband mache. Die meisten mir bekannten Hunde wären bereits nach dem 2. oder 3. Tag ausgeflippt sobald man die Decke nur ausbreitet bzw würden den Verbandswechsel der zum Teil natürlich auch etwas schmerzhaft ist zu einem einzigen Kampf machen. Magni freut sich nicht auf die Prozedur, aber winselt nur wenig beim Abwickeln des Verbandes, läßt sich das Waschen und entfernen des toten Gewebes super gefallen, ein bischen zappeln tut er nur beim Spülen mit Rivanol (das ist kalt) und der Behandlung mit dem Lotagen, denn das brennt leider. Zwischen den Schritten trockne ich die Pfote, dabei ist er ganz lieb. Das Auflegen der Wundunterlage und fixieren mit dem Verbandtuch und der Mullbinde beobachtet er meist noch mittelaufmerksam und zwischen dem Beginn des Abwickelns der Wattebinde und dem Abschluss mit der Haftbinde pennt mindestens Magni meistens und nicht selten döst dann auch Denni (wenn ihm nicht grad die Arme absterben, weil er doof da liegt). Auch geht Magni immernoch schwanzwedelnd in die Tierklinik und begrüßt jeden freudigst.
Klar gibt es Tage an denen uns das alles "zuviel" ist. Wir uns unwohl fühlen und einander anschnauzen. Wir sind hier teilweise gefesselt bzw können nur dahin, wo Magni mitkann. Wenn einer etwas anderes tun möchte muss der andere aufpassen.
Sicher zehrt das ein bischen aus, aber wenn ich mir ausmale wie es wäre, wenn wir es hier mit einem Hund zutun hätten, der sich gegen die Behandlungen wehrt, dann muss ich sagen, dass wir uns sehr glücklich schätzen können.
Magni selbst geht es nicht anders. Allerdings konnte ich bisher noch nicht beobachten, dass er mal nen ganzen Tag miese Laune hatte. Er findet es ohne Frage doof, dass er nicht mit Filipendula toben darf. Ist enttäuscht, dass wir nachts nicht durch die Felder streifen. Kurz gesagt:
Er langweilt sich.
Dennoch bleibt meistens der Eindruck, dass er all die Aufmerksamkeit geniest. Er fand es nie dolle wenn ich nicht bei ihm bin. Jetzt bin ich 24/7 da und damit wirkt er ungemein zufrieden. In die Klinik geht Magni immer gern, denn alle lieben ihn da und schenken ihm Leckerchen.